Freie Berufe in der Staatskanzlei

21.03.2018

(LFB) Am 19. März trafen sich die Präsidenten der LFB-Mitgliedsorganisationen in der Potsdamer Staatskanzlei zum Austausch mit dem Ministerpräsidenten Dr. Dietmar Woidke und Vertretern der Landesregierung. Schwerpunkte waren diesmal der baulich-planerische Bereich sowie ein ziemlich heikles Thema der Berufsausübung.

 

Modernes Wohnen erfordert neue Konzepte

Wohnen in Brandenburg ist eine komplizierte Angelegenheit. Wohnungen Im Speckgürtel sind knapp und teuer, in der Landeshauptstadt sieht es noch schlimmer aus. Auch wenn momentan viel gebaut wird, hinkt das Angebot der Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum weit hinterher. Weil diese Situation nicht nur für die Menschen unerträglich ist, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung bremst, wird sie von der Landesregierung mit großer Aufmerksamkeit beobachtet.

Für neue Konzepte steht die Brandenburgische Architektenkammer mit ihrem Präsidenten Christian Keller. In einer präzisen Analyse formulierte der oberste brandenburgische Architekt die Punkte, die kostengünstiges Bauen erschweren und präsentierte moderne, am Gemeinwohl orientierte Lösungsvorschläge.
 

Preistreiber im Wohnungsbau ist neben den Grundstückspreisen der Trend zu Singlehaushalten, welcher den Flächenverbrauch und die Baukosten wachsen lässt. Als größtes Übel erweist sich jedoch die geradezu absurde Zahl an Normierungen: Laut Fraunhofer-Institut existieren im Baubereich 17486 Normen und Vorschriften – ein weites Feld vor allem für Rechtsanwälte.

In ihrem Ziel waren sich die Vertreter der Landesregierung mit Architektenkammer-Präsident Keller einig: Attraktive Wohnstandorte zu entwickeln, geht weit über den Bau von Sattelitenstädten am Stadtrand hinaus. Keller: „An der Baukultur erkennen wir den Zustand der Gesellschaft“. Die häufig gesichtslosen Neubauquartiere ohne soziales Umfeld schaffen keine Identität, denn zum Wohnen braucht es mehr als das schicke Einfamilienhaus. Zusätzlich problematisch: die künstlich erzeugten Verkehrsströme aufgrund der mangelnden Infrastruktur. Laut Keller gehören Infrastruktur und Wohnen zusammen, wie auch die Kirche ins Dorf gehört. Doch auch neuen Ideen dürfe man sich nicht verschließen: Statt auf das klassische Wohnen im eigenen Haus zu setzen, müsse angesichts der veränderten Lebensentwürfe auch über neue Wohnformen, beispielsweise in Genossenschaften oder in kooperativen Entwürfen, nachgedacht werden. Die Entwicklung neuer Wohnquartiere sollte dabei einem Innenstadtentwicklungsplan folgen, der die Förderung neuer Bauvorhaben an eine Erschließung im innerstädtischen Bereich koppelt, die kreative Verwertung von Rest- und Splitterflächen eingeschlossen. Durch eine Besteuerung des Bodenwertes in den Innenbereichen könnte die zunehmende Spekulation mit teurem Baugrund unattraktiver gemacht werden. Der Präsident der Architektenkammer mahnte auch Korrekturen in der Förderpolitik an, die in einem längeren Zeitraum gedacht werden solle, um Förder“wellen“ zu vermeiden.
 

Man war sich einig, dass die komplexen Fragen nur der Gemeinsamkeit aller Akteure angegangen werden können. Ministerpräsident Woidke signalisierte die Bereitschaft der Landesregierung zur engen Zusammenarbeit.
 

Durch Teilhabe Ausgrenzung verhindern

Wie eng Leben und Wohnen mit sozialer Teilhabe und Identität einhergehen, griff Christian Keller auch bei seinem nächsten Thema auf, der gelebten Demokratie. Der Cottbuser sieht mit Sorge die Entwicklung in seiner Umgebung, in der sich viele Menschen abgehängt und von denen „da oben“ im Stich gelassen fühlen. Ihre Wut äußern sie in Fremdenhass und der Zuwendung zu extremistischen Parteien. Indem man diese Menschen anspricht und in konkrete Projekte einbindet, so Keller, könne man sich der Stimmung entgegensetzen und einige wieder zur Teilhabe ermutigen. Als gut funktionierendes Beispiel nannte er das Projekt „Stadtentdecker“, in dem Kinder und Jugendliche ihre Heimatstadt besser kennenlernen, Vorschläge für Veränderungen einbringen können und somit für die Stadtentwicklung begeistert werden. Um mehr Menschen in ähnlichen Projekten in die Entwicklung ihres Lebensumfelds einzubeziehen, sei eine gemeinsame Kraftanstrengung erforderlich. Für seine Ideen erhielt Christian Keller eine breite Zustimmung.
 

Wenn Leistung sich nicht lohnt

Um existentielle Probleme bei den akademisch ausgebildeten Restauratoren ging es im Redebeitrag des Präsidenten des Verbandes der Restauratoren, Prof. Jan Raue. Die Berufsbezeichnung „Restaurator“ ist im Land Brandenburg nicht geschützt, was jedem, der sich dazu berufen fühlt, die Möglichkeit eröffnet, eine freiberufliche Tätigkeit ohne nachgewiesene Berufsqualifikation auszuüben. Auch das Handwerk rüstet auf. Mit einer Zusatzqualifikation von ca. 600 Stunden kann aus einem Meister ein Restaurator werden, der dann mit einer Einstufung von DQR-Niveau 7 Anspruch auf eine bessere Bezahlung hat, als sein Kollege nach einem Fachhochschulstudium.

Dass sich junge Leute nach sieben Jahre auf der Fachhochschule und erfolgreichem Bachelor- und Master-Abschluss frustriert abwenden, ist nur zu verständlich. Die derzeitige Praxis, die komplett dem ordnungspolitischen Verständnis widerspricht, zieht bereits Erosionserscheinungen an der Hochschule nach sich: In Erfurt musste der erste Restauratoren-Bachelorstudiengang mangels Bewerbern geschlossen werden.
Steht die Frage, wem wir unser kulturelles Erbe in Zukunft anvertrauen möchten.
Dietmar Woidke regte an, über einen dualen Studiengang nachzudenken, was von Prof. Raue sehr begrüßt wurde. Aufmerksamkeit erregte auch der Vorschlag der Einrichtung einer Fachkommission unter Beteiligung der Ingenieurkammer.

 

Ausbildungsstandort im Norden erforderlich

Auf offene Ohren stieß auch der Präsident der Landeszahnärztekammer, Jürgen Herbert, der die Ausbildungssituation thematisierte und auf einen fehlenden Ausbildungsstandort in Brandenburgs Norden verwies.

 

In den über zwei Stunden mit dem Ministerpräsidenten und den Vertretern der Landesregierung ging es um konkrete Ideen für das Land, für die Teilhabe der Menschen, die Brandenburg als ihre Heimat betrachten. Die Projekte im Zusammenspiel mit den Bildern der neuen Imagekampagne von der Weite der brandenburgischen Landschaft, den Seen und Badestellen im Brandenburger Sommer lassen durchaus erahnen, was es heißt, sich in Brandenburg zu Hause zu fühlen.

 

Seitens der Landesregierung nahmen neben Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke am politischen Austausch teil: Dr. Ulrike Gutheil, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Hendrik Fischer, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Energie, Elfi Heesch, Abteilungsleiterin im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung, Dr. Christian Menzel, Referatsleiter.

 

Bild zur Meldung: Präsidenten der LFB-Mitgliedsorganisationen mit Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke

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Politischer Austausch mit Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke (21.03.2018)